© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Ein Mann sitzt in einem Bummelzug und sieht aus dem Fenster.
Es regnet und stürmt draußen.
Bei jedem Halt stöhnt der Mann vor sich hin.
Ein anderer Fahrgast nimmt sich ein Herz und fragt ihn: „Sie stöhnen ja so. Tut Ihnen etwas weh?“
„Ach nein“, antwortet der Mann. „Ich sitze nur im falschen Zug. Eigentlich müsste ich aussteigen, aber es ist so schön warm hier.“
Nein, das ist kein verspäteter (noch dazu mittelmäßig guter) Karnevalswitz.
Es ist für mich eine der besten Geschichten, um zu erklären, was die Fastenzeit ist und was die Fastenzeit soll.
Eigentlich müsste ich aussteigen, aber es ist so schön warm hier.
Am Anfang steht das Wörtchen eigentlich.
Eigentlich sollte ich – eigentlich wäre es gut.
Ich will jetzt gar keine Beispiele bringen, was „eigentlich“ anders sein könnte oder sollte.
Sie wissen selbst am besten, was das bei Ihnen persönlich ist, was Sie „eigentlich“ ändern sollten.
Wie in der kleinen Geschichte kommt dann aber das „aber“. Es melden sich verlässliche Gegenstimmen zu Wort.
Der Dichter Christian Morgenstern setzt all diesen „Abers“ entgegen:
Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben.
Macht euch von dieser Anschauung los – und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Es muss ja nicht gleich ein „neues Leben“ sein, sondern ein Versuch, ein überschaubarer Zeitraum, nicht gleich für immer.
Die Fastenzeit ist so ein Versuchsfeld.
7 Wochen, in denen ich es ausprobieren kann, dieses andere Leben.
Ich muss ja auch nicht gleich alles ändern.
Es reicht vollkommen, wenn ich an einer Stelle damit anfange.
Und ich kann auch versagen – und wieder neu anfangen, in diesen 7 Wochen.
Früher gab es für diese Zeit feste Regeln.
Es gab keine Tanzveranstaltungen – und auch keine Hochzeiten.
Es durfte nach kirchlicher Anordnung kein Fleisch gegessen werden.
Später auch keine Milch, kein Käse, keine Eier.
Es ist gut, dass diese Zeiten vorbei sind.
Denn niemand kann mir vorschreiben, worauf ich verzichten soll, was ich in meinem Leben ändern soll.
Fasten ist eine ganz persönliche Entscheidung.
Wie ich faste, worauf ich verzichten möchte, liegt ganz bei mir.
Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.
schreibt Paulus im Neuen Testament (1 Kor 10,23)
Fastenzeit ist mehr als Alkohol und Schokolade wegzulassen – und mit sehnsüchtigem Blick auf Ostern zu warten, weil man dann wieder „darf“.
Fastenzeit bedeutet, einen ehrlichen Blick auf das eigene Leben zu werfen.
Wo müsste ich eigentlich aussteigen?
Es geht vor allem aber nicht darum, mich 7 Wochen lang „zu kasteien“, sondern es geht darum, dass es mir am Ende besser geht.
Eigentlich müsste ich aussteigen, aber…
Lassen Sie das „eigentlich“ und das „aber“ weg und fangen einfach mit dem „aussteigen“ an.
Wo – spielt eigentlich keine Rolle.
Das heißt „Fastenzeit“.
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Fasten
Fasten bedeutete früher
konsequenten Verzicht
auf Nahrung.
Im heutigen Überfluss
gibt es immer mehr Möglichkeiten,
sinnvoll zu fasten.
Verzichten kann man
auf Süßigkeiten, Alkohol, Nikotin,
aufs Fernsehen, aufs Auto.
Umweltbewusste fasten
durch den verantwortlichen Umgang mit
Wasser, Müll, Energie.
So viele Möglichkeiten,
mich im Fasten zu üben.
Fast zu viele.
Alle sind sinnvoll.
Worauf verzichte ich?
Was soll ich tun?
Mich von der Aufzählung lösen,
auswählen und dann wirklich anfangen,
etwas konsequent durchzuhalten.
Gisela Baltes
www.impulstexte.de
In: Pfarrbriefservice.de
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Herzliche Sonntagsgrüße,
Ihr
Ulrich Lühring