© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Was ist Wahrheit?
Ich musste dreimal nachsehen, aber im heutigen Tagesevangelium wurde dieser berühmte Satz des Pontius Pilatus einfach weggelassen. Als ob es auf diesen einen Satz ankommen würde; denn damit ist das Gespräch zwischen Jesus und Pontius Pilatus im Evangelium ohnehin beendet.
Und natürlich habe ich mich gefragt: Warum lässt man den einen Satz weg?
Vielleicht, weil man Pilatus nicht das letzte Wort überlassen wollte?
Ich jedenfalls finde das sehr schade, denn ich mag diese Frage: Was ist Wahrheit?
Es wäre sehr spannend zu erfahren, wie Pilatus diese Frage gestellt hat. Hat er vielleicht eher philosophisch gefragt: Was ist tatsächlich Wahrheit. Eine Frage, über die Philosophen sicher stundenlang diskutieren können.
Oder hat er die Frage eher genervt gestellt: Was ist das schon - die Wahrheit?
Also im Sinne von: "Noch so ein Spinner, der glaubt, irgendeine Wahrheit gepachtet zu haben.
Pilatus wird in seinem Leben schon oft genug Menschen begegnet sein, die davon überzeugt waren, dass allein sie und niemand sonst die Wahrheit kennt.
Und er wird (wie wir auch) gelernt haben: Hüte dich vor Menschen, die vorgeben, die Wahrheit zu kennen oder gar die Wahrheit für sich gepachtet zu haben.
Was ist Wahrheit? –
Eine schwierige Frage für uns, in einem post-faktischen Zeitalter, in dem "fake news" zum Alltag gehören und in dem Halbwahrheiten und Unwahrheiten über Facebook und Twitter in die ganze Welt verbreitet werden.
Wo mit Nachrichten Menschen manipuliert werden und Macht ausgeübt wird.
Wo ein Mensch zum Präsidenten gewählt wird, der so dreist Unwahrheiten verbreitet, dass man es kaum für möglich hält.
Es geht scheinbar längst nicht mehr darum, wer die Wahrheit hat (im Sinne von: wer Recht hat), sondern darum, was die allgemein verbreitete Wahrheit ist (im Sinne von. was die Meisten glauben).
Sucht denn dieser Pontius Pilatus wirklich nach der Wahrheit?
Wenn wir ins Evangelium schauen, entdecken wir: Er wechselt seinen Standpunkt schneller als man denken kann.
Mal hört er auf Jesus, dann wieder auf den Mob vor der Tür.
Mal hört er auf seine Frau, dann wieder auf die Hohenpriester und andere Lobbyisten.
Nur auf die Stimme in seinem Inneren, auf die Stimme seines Gewissens hört er nicht.
Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, hat für seine Ordensgesellschaft eine Gesprächsregel aufgestellt:
Beim Zuhören lernen - eine Haltung, die weiß: "Ich habe die Wahrheit nicht gepachtet. Ich weiss nicht alles."
In dieser Haltung kann ich beim Zuhören lernen: Was denkt der andere? Was ist ihm wichtig? Welche Gefühle hat er?
Was ist Wahrheit? –
Wir sollten diese Frage ganz konkret mitnehmen in die nächste Woche, in unsere Gespräche, Diskussionen und vielleicht in so manchen Streit:
Geht es darum, wer die Wahrheit besitzt, wer Recht hat (oder Recht bekommt)-
oder geht es wirklich darum, was die Wahrheit ist.
Und vielleicht nehmen wir noch den Ratschlag des Ignatius von Loyola (in vereinfachter Form) dazu:
Ab und zu einfach mal den Mund halten - und dafür den anderen besser zuhören!
Predigtidee: Jörg Sieger
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In einer vorlauten und
geschwätzigen Welt
schweigsam leben.
In einer unersättlichen
und übersättigten Welt
das rechte Maß finden.
In einer chaotischen
und verrückten Welt
besonnen bleiben.
In einer unverschämten
und rücksichtslosen Welt
sich respektvoll verhalten.
In einer kalten und
profitgierigen Welt
Mitgefühl bewahren.
In einer verlogenen
und betrogenen Welt
für Wahrheit eintreten.
In einer grausamen
und egoistischen Welt
als Mitmensch leben.
Paul Weismantel
aus: Wo bleibst du Trost? (www.pfarrbriefservice.de)
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Einen schönen Sonntag
wünscht Ihr
Ulrich Lühring