© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Wenn ein neues Gerät angeschafft wird, gibt es ja (grob gesagt) zwei unterschiedliche Typen von Menschen.
Die einen lesen zunächst einmal die Gebrauchsanweisung gründlich durch.
Die anderen probieren erst einmal aus und greifen zur Gebrauchsanweisung, wenn irgendetwas nicht klappt.
Ich gehöre sozusagen zur ersten Fraktion. Okay – die Seiten mit „herzlichen Glückwunsch zum Kauf Ihres Gerätes“ überblättere ich, aber grundsätzlich lese ich schon die Gebrauchsanweisung bei neuen Geräten durch.
So habe ich auch erfahren, dass unser neuer Backofen eine „Sabbatfunktion“ hat. Da hat es mich ja fast schon professionell interessiert, was das ist.
In der „Sabbatfunktion“ hält der Backofen Speisen bis zu 74 Stunden warm.
Hintergrund sind natürlich die Sabbatvorschriften, von denen auch im heutigen Sonntagsevangelium (Mk 7,1-23) die Rede.
Hier geht es konkret um das Verbot, am Sabbat zu arbeiten und ein Feuer zu machen:
„Der Sabbat ist ein Ruhetag zur Ehre des Herrn. Am Sabbat sollt ihr in keiner eurer Wohnstätten Feuer anzünden.“
(Ex 35,3)
Da aber beim Betätigen eines elektrischen Schalters ein Funke entstehen könnte, ist es auch verboten, Schalter zu betätigen – und erst recht den Backofen einzuschalten.
Daher die Sabbatfunktion: am Freitagabend wird das fertige Essen in den Backofen geschoben – und am Sabbat wird nicht gekocht und kein Feuer gemacht.
In fast allen größeren Hotels in Israel gibt es aus dem gleichen Grund einen sogenannten „Sabbataufzug“. Damit man am Sabbat auf keinen Schalter drücken muss, fährt der Aufzug den ganzen Tag einfach rauf und runter und hält auf jeder Etage.
Wer schon einmal in Israel war, der kennt auch die komplizierten Speisevorschriften.
Weil es im Buch Exodus heißt:
Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen (Ex 23,19)
darf alles was mit Fleisch zu tun hat nicht zusammen kommen mit irgendetwas was mit Milch oder Käse zu tun hat.
Dementsprechend muss es in einem koscheren jüdischen Haushalt zwei Geschirre geben (eins für Fleisch – eins für Milch und Käse), zwei Bestecke – und so weiter…
Neues Geschirr kann man auch nicht einfach kaufen und dann benutzen. Und da geht es nicht um simples Spülen, sondern um eine genau vorgeschriebene, rituelle Reinigung, die eigentlich in einem speziellen Bad, der Mikwe, stattfinden sollte.
Der Talmud, das jüdische Regelbuch, kennt 613 konkrete Regeln, 365 Verbote und 248 Gebote.
Die Auslegung dieser Regeln füllt dicke Bücher und beschäftigt die Rabbinerschulen.
Denn die wahre Kunst besteht (von außen betrachtet) scheinbar darin, wie man die Gebote möglichst günstig auslegt.
Man darf zwar kein Feuer anzünden, aber wenn es einmal brennt, darf man sich daran wärmen.
So erfährt man etwa bei einem Besuch im Museum der Landsynagoge in Titz, dass es in vielen jüdischen Familien einen „Sabbatchristen“ gab. Der wurde bezahlt, am Sabbat das Feuer anzuzünden, denn für Christen gelten die Sabbatvorschriften ja nicht – und dann konnte man sich daran wärmen.
Spätestens hier fasst man sich als Außenstehender doch an den Kopf und fragt: „Ist das denn noch im Sinne des Erfinders?“
Und damit sind wir mitten drin in der Thematik des heutigen Sonntagsevangeliums. Denn es geht genau um diese 613 Regeln und ihre Auslegung.
Was geht? Und was geht nicht?
Und was muss ich machen, dass es vielleicht doch geht?
Wobei die Lösung doch ganz einfach ist – oder?
Statt neue Regeln und Auslegungen zu ersinnen, um Verbote zu umgehen und Gebote gerade noch zu erfüllen, sollte man doch lieber nach dem eigentlichen Sinn der Regeln fragen.
Bevor Sie sich jetzt beruhigt zurücklehnen und denken „Ist ja interessant – aber betrifft mich ja nicht!“ – Vorsicht.
Denn dieses Prinzip, die Buchstaben des Gesetzes gerade noch zu befolgen, statt nach dem Sinn zu fragen, kenne ich und kennen Sie sicher auch.
Ich komme wieder mal mit meinem Lieblingsbeispiel „Verkehr“.
Da steht ein Schild „30“.
Und was passiert?
Mein Blick haftet gebannt auf dem Tacho, damit ich nicht so schnell fahre, dass ein möglicher Blitzer mich erwischt, aber auch nicht so langsam, dass der hinter mir sich aufregt.
Stattdessen wäre doch der Sinn der Sache, dass da offensichtlich irgendeine Gefahrenstelle ist – und ich deshalb doppelt aufmerksam auf die Straße schauen sollte, statt auf den Tacho.
Zugegeben, vielleicht ein „blödes Beispiel“, aber es macht das Prinzip klar, um das es geht.
Nicht nur im Straßenverkehr, auch im Beruf, im Verein, in der Familie, in der Kirche.
Ich erfülle meine „Sonntagspflicht“, indem ich „die Messe absitze“, aber ansonsten?
Ich erfülle meine Pflicht – aber mehr auch nicht.
Im Evangelium geht es keineswegs nur um ein „jüdisches Problem“.
Es geht um die Frage, wo halte ich mich vielleicht noch an Satzungen und Gebote – aber vergesse den eigentlichen Sinn, der dahintersteckt?
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Gott der Allmächtige segne uns
er mache uns frei
von allen inneren und äußeren Zwängen
von allem „du musst“ und „du sollst“
von allen Anpassungen
und leeren Gesetzeserfüllungen
Er gebe uns Mut und Kraft
unseren eigenen Weg zu gehen
den für uns bestimmten Weg
zu suchen und zu finden.
Er öffne unsere Augen und Herzen
auf dass wir ihn jederzeit erkennen
in all den Werken und Wundern
die er für uns erbringt
aber auch in den Anforderungen des Alltags
und jedem Menschen
der uns braucht
und in dem Gott uns begegnen will
Er schenke uns Frieden und Heil
innere Sicherheit
und die Zuverischt
dass wir nicht irre gehen
wenn wir auf ihn vertrauen
nach einem Text
von Helene Renner
www.predigtforum.com
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Herzliche Sonntagsgrüße,
Ihr
Ulrich Lühring
P.S.
Der nächste "geistliche Impuls zum Sonntag" erscheint am 22. September 2024.