



© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Willkommen in der Pfarrei St. Barbara Breinig
Willkommen in der Pfarrei St. Barbara Breinig
Ich schicke Euch wie Schafe unter die Wölfe - (Sonntagsevangelium: Lk 10,1-20).
Ich finde das, ehrlich gesagt, keine besonders mitreißende Idee.
Denn als Schaf unter Wölfen sind die Überlebenschancen ziemlich einseitig verteilt.
Und offen gestanden habe ich keine gesteigerte Lust zum Wolfsfutter zu werden.
Ich erinnere mich an einen Text des evangelischen Theologen Helmut Gollwitzer:
ER schickt mich als Lamm unter die Wölfe in einer wölfischen Welt.
Und ich antworte: Das will ich nicht.
Denn erstens hat ein Lamm unter Wölken keine Chance
und zweitens bin ich kein Lamm, sondern ein Wolf.
Ich bin ein Mensch, dem es um sich selbst geht,
der ein begrenztes Maß an Mut hat,
dem es als Europäer eigentlich ganz gut geht
und der es gerne guthaben möchte.
Ich bin genauso ein Wolf wie die anderen.
https://www.ref-aaraWu.ch/upload/docs/predigten/181021%5FDH.pdf
„Lerne ein Wolf zu sein!“ heißt ein Ratgeberbuch, in dem ein Selfmademillionär Tipps gibt, wie man möglichst schnell möglichst erfolgreich wird.
Lerne ein Wolf zu sein; denn es sei besser, sich selbst einen Wolfspelz zuzulegen, als sich von den Wölfen schlachten zu lassen.
Wölfe in der Politik und in der Wirtschaft gibt es mehr als genug.
Die Wölfe in der Politik heißen Putin oder Trump oder Erdogan…
Den Wölfen in der Wirtschaft geht es um Profit und Gewinn, egal wie viele Arbeitslose das kostet – oder wie gesundheitsgefährdend die Arbeitsplätze (und manchmal auch die verkauften Produkte) sind.
Wölfe gibt es aber auch im Kleinen:
Der Arbeitskollege, der mich beim Chef schlecht macht.
Die Nachbarin, die immer freundlich grüßt – und hintenrum schlecht über mich redet.
Geht nicht auch bei uns die gegenseitige Achtung immer mehr verloren?
Und wird die Grenze des Anstandes nicht immer wieder überschritten?
Gerade heute scheint Thomas Hobbes Recht zu bekommen, der schon im 17. Jahrhundert gesagt hat:
homo homini lupus est – Der Mensch ist des Menschen Wolf.
Und zugleich spüre ich das, was der Theologe Helmut Gollwitzer sagt:
Ich bin doch selbst auch kein Unschuldslamm, ich spüre immer wieder den Wolf in mir.
Vielleicht ist das gerade die schwierigste Seite:
Dass wir uns zunächst einmal eingestehen müssen, dass der Wolf nicht nur die anderen sind.
Ich bin genauso ein Wolf wie die anderen.
Greife andere an, wenn ich mich bedroht fühle.
Ich heule mit der Menge und orientiere mich am Rudel.
Und die Angst, selbst gefressen zu werden, ist mir auch nicht fremd.
Ich bin genauso ein Wolf wie die anderen.
Und dennoch – oder gerade deswegen bittet dieser Jesus mich, dem alten, archaischen Prinzip von Fressen und Gefressen-werden ein Schnippchen zu schlagen und ein andere Perspektive ins Spiel zu bringen.
Eine andere Vision, wie diese Welt auch sein könnte.
Jesus hat in seinem Leben das Prinzip von Fressen oder Gefressen-werden auf den Kopf gestellt.
Er selbst trug dafür die Konsequenzen – bis ans Kreuz.
Wir müssen nicht zu Märtyrerinnen und Märtyrern werden.
Es reicht schon, wenn wir uns manchmal zuerst selbst eines auf die Pfote geben – auf unsere eigene Wolfspfote.
Die Frage ist, ob ich diesen Wolf in mir ständig füttere, ihm laufend neue Nahrung gebe.
Ihr müsst nicht mit den Wölfen heulen, um Erfolg zu haben.
Ihr müsst nicht den Wolf in euch füttern und trainieren, um bestehen zu können.
ER hat es uns vorgelebt als Lamm unter Wölfen.
ER hat die Vision Gottes von einer anderen Welt einfach gelebt: Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein, Kalb und Löwe weiden zusammen (Jes 11,7).
Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.
Der Theologe Jürgen Moltmann nennt die christliche Hoffnung „die radikalste Alternative zum Zustand dieser Welt“. Wenn wir am Zustand dieser Welt leiden, dann ist die christliche Botschaft ein Funke der Hoffnung, der zu einer Flamme werden kann.
Eugen Drewermann hat es einmal so formuliert:
„Das Menschsein besteht darin, Träume zu haben, die viel wirklicher sind als die verdammte Wirklichkeit. Nur deshalb ist die Religion ein Ort von Hoffnung.
https://www.pfarrbriefservice.de/file/von-traeumen-die-wirklicher-sind-als-die-realitaet
Seien wir in der kommenden Woche aufmerksam auf die Wölfe um uns – und auf den Wolf in uns.
Fangen wir damit an, aus Wölfen Menschen zu machen.
Die Anderen können wir nicht verändern,
aber uns selbst schon.
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Man muss sich das mal bildlich vorstellen:
Da gehen siebzig Jünger los,
barfuss,
ohne Proviant, Geld, Papiere -
allen möglichen Notsituationen schutzlos ausgeliefert.
Die Jünger gehen mit leeren Händen,
aber mit einer Vision im Herzen;
der Vision vom Friedensreich Gottes
und mit dem Vertrauen, dass es dort gegenwärtig werden kann,
wo sie zu Botschaftern für diesen Frieden werden.
Das Bild bleibt aktuell,
für unsere Kirche,
für uns als Christen heute.
Das Bild von den Jüngern,
barfuß und ohne Beutel,
aber mit dem Friedensgruß auf den Lippen
und der Vision vom Reich Gottes im Herzen.
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Schönen Sonntag,
Ihr
Ulrich Lühring