© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Wenn im Gottesdienst zur Gabenbereitung ein Körbchen für die Kollekte herumgereicht wird, dann ist das ein sehr diskreter Vorgang.
Niemand sollte dabei dem anderen auf die Finger schauen.
Wie heißt es in der Bibel? Die rechte Hand soll nicht wissen, was die linke tut.
Erst recht nicht der rechte oder linke Banknachbar.
Meine Spende geht niemanden etwas an.
Wir wahren Diskretion.
Bei der normalen Spende jede Woche ist das ja eher kein Problem. Und bei den großen Spenden zu Adveniat und Missio gibt es ja die Spendentütchen, um meine Spende auch sicher „anonym“ zu halten.
Der Einzige, der mir dabei auf die Finger blicken darf, ist Gott.
Und mit welchem Blick ER es tut, darüber erfahren wir etwas im heutigen Evangelium (Mk 12,38-44).
Jesus sitzt im Tempel dem Opferkasten gegenüber.
Er beobachtet die Leute beim Spenden.
Er sieht Reiche und Arme kommen und gehen.
Er nimmt Menschen war, die großzügig geben.
Und andere, die sich weniger freimütig von ihrem Geld trennen.
Und ihm fällt diese alte Frau in den Blick, die zwei kleine Münzen in den Opferkasten legt.
Niemand sonst hat es mitbekommen, keiner hätte es bis heute gemerkt.
Aber ER, Jesus, hat einen aufmerksamen Blick für diese Geste.
Im Ganzen des Evangeliums ist die Frau eine Randfigur, eine Statistin, ein Niemand.
Sie steht für die Vielen, die keine Rolle spielen und verborgen bleiben vor den Blicken der Welt.
Sie steht für die Unzähligen, die unterschätzt werden, die unbemerkt Gutes tun und nicht darüber reden.
Sie steht für alle, die gar nicht ahnen, dass ihr Tun dennoch unendliches Gewicht hat, weil dem Blick Gottes nichts entgeht.
Es ist sicher kein Zufall, dass es gerade zwei Münzen sind.
Zwei Geldstücke hätte man auch schiedlich-friedlich teilen können.
Eins für Gott – das andere für mich.
Das eine für den Tempel – das andere für meine Tagesration.
Hat nicht selbst der heilige Martin, den wir in diesen Tagen feiern, seinen Mantel geteilt und eben nicht den ganzen Mantel weggeben?
Obwohl er wahrscheinlich einen zweiten Mantel hatte – oder sich einen neuen besorgen konnte?
Für die Frau ist es der Ruin.
Zwei kleine Münzen mehr oder weniger machen „den Kohl für den Tempel auch nicht fett“.
Kann man vor lauter Frömmigkeit so verrückt sein?
Warum stoppt Jesus sie nicht?
Die Erklärung gibt uns die Liturgie mit der Lesung und jener Geschichte vom Propheten Elija und der armen Witwe (1 Kön 17,10-16).
Auch die Witwe aus der Lesung setzt alles auf eine Karte, weil sie den Worten Elijas vertraut:
Fürchte dich nicht! Vertraue Gott.
Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug wird nicht versiegen.
Es geht um Gottvertrauen, das sowohl in der Lesung als auch im Evangelium bewusst „auf die Spitze getrieben wird“.
Zwei Frauen, die eigentlich am Ende sind.
In der Lesung wird es ausdrücklich beschrieben.
Im Evangelium nur indirekt, wenn diese zwei kleinen Münzen die letzte Habe sind.
Beide Frauen sind am Ende.
Und gerade da setzen sie alles auf eine Karte.
„All-In“, wie es im Poker heißt.
Und ihre Karte heißt: Gottvertrauen.
Wir leben in verrückten Zeiten.
Was in Amerika los ist.
Was unsere Politiker in Berlin so treiben.
Was kommt in der Ukraine jetzt auf die Menschen und auf uns zu?
Wie soll es mit der Wirtschaft weitergehen, mit Trump im Weißen Haus – und mit lähmendem Stillstand bei uns?
Die Botschaft des Evangeliums nennt uns die Karte, auf die wir setzen können und setzen sollen. Und diese Karte heißt „Gottvertrauen“.
Das Evangelium enthält aber noch eine zweite Botschaft, die nicht weniger wichtig ist.
Es will uns auch anregen, aufmerksam zu sein für Menschen, die mit kleiner Münze ihre ganze Liebe schenken.
Aufmerksam zu sein für alle, die ohne große Worte das Goldrichtige tun; für alle, die einfach da sind, wo sie gebraucht werden; für alle, die sich ehrenamtlich engagieren ohne zu fragen: Was bringt es mir? Und: Bringt es denn überhaupt etwas?
Und es regt uns an, einfach einmal „Danke“ zu sagen.
Danke für die kleinen Gesten und Zeichen, die (äußerlich betrachtet) nicht viel bewirken.
Von denen keine Zeitung und kein Pfarrbrief jemals berichten, die kleinen, unauffälligen Leute, die keine große Rolle spielen, die nicht in den Blick fallen.
Gott sei Dank fallen sie Jesus in den Blick – und Gott.
Hoffentlich fallen sie auch uns in den Blick, wenn wir gerade in der kommenden Woche bewusst auf sie achten.
Und hoffentlich vergessen wir nicht „Danke“ zu sagen.
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Wenn man Ehrenamtliche fragt, was ihr Engagement ihnen gibt, fallen die Antworten unterschiedlich aus:
Das gute Gefühl, gebraucht zu werden, gibt Selbstbewusstsein und Zufriedenheit.
Wer sich um andere kümmert lernt, das eigene Leben mit anderen Augen zu sehen und Belastungen ins Verhältnis zu den eigenen Chancen und Kräften zu setzen.
Eigene Gaben einzubringen und Gutes weitergeben zu können, stellt Menschen hinein in den Kraftstrom des Lebens – und das macht glücklich.
Victor Frankl, der Begründer der Logotherapie, hat im Konzentrationslager die Entdeckung seines Lebens gemacht:
Alles hängt davon ab, sagt er, ob wir einen Sinn in unserem Leben und auch in unserem Leiden finden.
Am Ende kommt es nicht darauf an, wie reich und angesehen wir waren, wie gut wir aussehen, ob wir fit und gesund sind.
Es kommt darauf an, ob unser Leben Bedeutung für andere hat – uns sei es nur für einen Menschen, den wir lieben.
Es kommt darauf an, dass wir unseren Beitrag leisten – und sei er noch so klein - , damit Güte und Gerechtigkeit sich ausbreiten.
Victor Frankls Studien zeigen und belegen:
Wer sich auf diese Weise verschenkt, gewinnt Lebensenergie, Geduld und Hoffnung – und Widerstandskraft in Krisen.
Wir schöpfen Lebensmut daraus, dass wir nicht für uns selber leben.
OKRin Cornelia Coenen-Marx, EKD Hannover
aus: Ehrenamtlich in die Zukunft? Beobachtungen zum Ehrenamt in der Kirche. in: Themenheft zur Woche für das Leben, „Einsatz mit Gewinn“, 2011, S. 12f.
www.pfarrbriefservice.de
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Mit herbstlich-sonntäglichen Grüßen,
Ihr
Ulrich Lühring