© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Es gibt wenige Stellen in den Paulusbriefen des Neuen Testaments, die so leicht zu verstehen sind wie die heutige Lesung (1 Kor 12,12-31).
Das Gleichnis von dem einen Leib, der eben aus vielen Gliedern besteht – und der insgesamt nur funktionieren kann, wenn alle Glieder zusammenarbeiten – und dem es insgesamt nicht gut gehen kann, wenn auch nur eines dieser Glieder leidet.
Das gilt ganz sicher für meinen Leib, meinen Körper – und es gilt im übertragenen Sinn für die Gemeinde, die Kirche, die Gesellschaft – für die Familie, für jeden Verein.
Und doch bin ich bei der Lesung über eine Stelle gestolpert, nämlich wo es am Ende der Lesung heißt:
Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit umso mehr Anstand.
Es ist mir noch einigermaßen klar, was Paulus meint, wenn ich beim Bild vom Körper und seinen Gliedern bleibe.
Zu allen Teilen hat man Körperteile verdeckt und den Blicken entzogen, weil man den Blick darauf als „unedel“ oder „unschamhaft“ ansah.
Und auch zu allen Zeiten hat die Mode einen ziemlichen Aufwand betrieben, um teilweise genau diese Körperteile zu betonen. Denken Sie nur mal an die Dekolletees der Damen im Dirndl. Da gibt es schon einen Widerspruch zwischen schamhaft bedecken und betonen…
Aber wie soll ich die Bemerkung von Paulus verstehen, wenn ich das Bild vom Leib und seinen Gliedern (wie Paulus es tut) übertrage auf die Gemeinde, auf die Gesellschaft.
Gibt es vielleicht in unserer Gemeinde, in unserer Gesellschaft Menschen, die wir besonders herausstreichen und betonen – und die so viel Bedeutung gar nicht verdienen?
Bekommen da auch welche Aufmerksamkeit und Ehre, mehr als andere, die ihnen gar nicht zusteht?
Ich würde diese Frage deutlich mit „Ja“ beantworten.
Und ich denke da zum Beispiel an den großen „Buhei“, der um all die Stars und Sternchen gemacht wird, die sogenannten „Promis“.
Wieso steht da jemand im Blitzlichtgewitter des öffentlichen Interesses, nur weil er etwas so weltbewegendes vermag, wie einen Lederball in ein Netz zu schießen – oder weil er sein Geld damit verdient, im Fernsehen Lieder zu singen.
Es war bei irgendeiner Quizshow, wo sich der Kandidat vorstellte und als „besonderen Moment im Leben“ erzählte, er sei einmal mit dem und dem Promi im selben Aufzug gefahren.
Bekommt da nicht jemand wirklich mehr Ehre und Aufmerksamkeit als ihm zusteht.
Verdienen diejenigen, die in Pflegeheimen und Pflegediensten unsere Senioren und Kranken pflegen nicht mehr Ehre – als irgendein Sportler oder Promi?
Und selbst so gesellschaftlich eher unstrittige Auffassungen, dass jemand, der studiert hat und der mit seinem Verstand und seinem Kopf arbeitet, deutlich besser bezahlte Arbeit leistet (und damit scheinbar wertvollere Arbeit als jemand, der mit seiner Hände Arbeit sein Geld verdient) – ist doch eigentlich sehr kurz gedacht.
In Coronazeiten wurde diskutiert über die „systemrelevanten Berufe“ und manche Wertung wurde da neu gedacht.
Nur leider auch schnell wieder vergessen.
Paulus stellt mit seiner Bemerkung am Ende der Lesung so Einiges wieder vom Kopf auf die Füße.
Er sagt, dass an diesem Leib alle die gleiche Bedeutung haben, egal ob sie zum Kopf, zu den Händen, zu den Füßen oder zum Hintern gehören.
Sie haben alle den gleichen Rang.
Vielleicht ein guter Anlass, uns zu fragen:
Denn ganz sicher hat Paulus vollkommen Recht:
Eigentlich haben alle den gleichen Rang: der Firmenchef und die Putzfrau, der Fußballstar und der Müllmann, der Bischof und die Spülfrau beim Seniorentreff.
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Es ist Gottes guter Geist,
der den Menschen ihre Gaben,
(Paulus nennt sie „Charismen“)
zukommen lässt.
Ein gefeiertes Charisma ist kein Grund
zu Selbstzufriedenheit.
Jedes Charisma ist Geschenk – unverdient, frei.
Paulus betont die vielschichtigen Gnadengaben.
Gegen ein elitäres Verständnis
würdigt er die Vielfalt.
Gemeinde heißt Gemeinschaft.
Ein Problem unserer Zeit:
Spezialisierung verhindert den Blick
auf den ganzen Menschen,
auf das Ganze.
Die moderne Medizin
ist nur ein Beispiel von vielen.
Vor lauter Spezialwissen
sieht sie oft den ganzen Menschen nicht.
Krankheit aber bedeutet,
dass das Zusammenspiel der Glieder gestört,
Gesundheit bedeutet,
dass es wiederhergestellt ist.
So ist es auch mit jeder menschlichen Gemeinschaft
sagt Paulus.
Weitet den Blick.
Der eine braucht den anderen,
keiner kann alles.
Nur so bleibt das Ganze
wie das kostbare Individuelle
im Blick: Vielfalt statt Einfalt –
auch heute!
Dorothee Sandherr Klemp
(für diesen Zweck von mir leicht gekürzt)
www.magnificat.de – www.pfarrbriefservice.de
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Herzliche Sonntagsgrüße,
Ihr
Ulrich Lühring