© Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Was ist im Leben schon selbstverständlich?
In diesen verrückten Zeiten erfahren wir, was alles längst nicht so selbstverständlich ist, wie wir es immer gedacht haben?
Dass uns der Flieger pünktlich und zuverlässig in den Urlaub bringt?
Gar nicht selbstverständlich.
Dass unsere Koffer mit uns ankommen?
Auch nicht selbstverständlich.
Dass unsere Wohnung im Winter warm ist?
Dass wir in Frieden leben können?
Leider auch nicht selbstverständlich.
Was mir diese schlimmen und unsicheren Zeiten vor allem deutlich machen ist:
NICHTS ist selbstverständlich,
ALLES ist Geschenk.
Vielleicht sind diese Überlegungen eine gute Einleitung, wenn wir uns an diesem Sonntag, angeregt durch die Lesungstexte fragen: Was heißt beten?
Warum sollen wir eigentlich beten und Gott um etwas bitten?
Weiss denn Gott, wenn er doch allwissend ist, nicht sowieso was wir brauchen?
Die erste Antwort auf diese Fragen lautet: Weil eben im Leben nichts selbstverständlich ist. Weil das Gelingen unseres Lebens eben nicht von uns abhängt (jedenfalls nicht vor allem und nicht allein von uns).
Im Gebet machen wir uns bewusst, dass wir uns jemandem verdanken. Dass unser Leben nicht selbstverständlich ist und schon gar nicht unser Verdienst, sondern vor allem Geschenk.
Im Gebet machen wir uns auch bewusst: Wir sind kein Zufallsprodukt der Evolution, sondern entstanden aus dem Willen und der Liebe Gottes.
Mehr noch: Gott hat die Welt nicht irgendwann einmal erschaffen – und dann ihrem Schicksal überlassen.
Gott geht unsere Wege mit uns, untrennbar wie ein Vater, wie eine Mutter.
Mir fällt auf, dass die Liturgie neben das heutige Evangelium (mit dem Vaterunser) die Lesung von Abraham gestellt hat. Das gefällt mir gut.
Das Vaterunser ist ein tolles Gebet, aber manchmal finde ich es schon etwas „heilig“: Dein Wille geschehe. Unser tägliches Brot gib uns heute.
Ganz so bescheiden sind meine Gebete jedenfalls nicht immer. Und darum ist mir dieser Abraham durchaus sympathisch; denn da geht es deutlicher zur Sache. Da geht es eher zu wie beim Feilschen auf einem orientalischen Basar: Wenn es nur 50 sind - oder nur 40 - oder vielleicht nur 10...
Wenn die Liturgie gerade diese Lesung neben das Vaterunser stellt, heißt das für mich: Wir dürfen durchaus im Gebet mit Gott Tacheles reden. „Das kannst du doch nicht machen“, sagt Abraham gleich zweimal.
Wir dürfen mit Gott verhandeln.
Und Gott nimmt uns ernst. Uns und unsere Bitten.
Allerdings fällt mir auch auf, dass die Lesung beim „Verhandlungsergebnis“ zehn Gerechte abbricht. Wir erfahren nicht, wie die Geschichte mit Sodom und Gomorrha ausgeht.
Tatsächlich ist sie ja wohl nicht gut ausgegangen. Sodom und Gomorrha wurden zerstört und dem Erdboden gleichgemacht.
Und auch das ist eine wichtige Einsicht zum Thema Gebet: Ich darf Bitten nicht verwechseln mit Fordern.
Wenn ich jemanden bitte, dann darf ich sicher hoffen, dass er meine Bitte ernst nimmt. Aber ich darf sie nicht verwechseln mit der Forderung, dass er gefälligst das zu tun hat, worum ich bitte.
So ist das auch beim Beten: Gott ist kein Erfüllungsgehilfe meiner Wünsche.
Herr, lehre uns beten.
Vielleicht wären das drei gute Impulse:
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Gut, wenn du noch beten kannst
Gut, wenn du noch beten kannst
Wenn deine Seele atmen kann
Dann bist du aufgehoben
Geborgen und beschützt
Kannst loslassen
Was dich bekümmert
Und dir Sorgen macht
Gut, wenn du noch beten kannst
Weil Ruhe du dann suchst
Erholung du dann findest
Und eine neue Kraft
Gut, wenn du noch beten kannst
Wenn du immer wieder
um das bitten kannst
Was du oder viele neben dir
Sich wünschen – was sie brauchen
Und du dann Danke sagen kannst
Gut, wenn du noch beten kannst
Um deinen Schöpfer auch zu loben
Und zu preisen für alles
Was er geschaffen hat
Was er heute tut und immer tut
Dass Er auch alle deine Seufzer
All deine Klagen und Fragen
All deine Schreie und Rufe
Selbst dein Fluchen hören kann
Stanislaus Klemm
In: Pfarrbriefservice.de
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Einen schönen und erholsamen Sonntag wünscht Ihnen
Ihr
Ulrich Lühring