Willkommen in der Pfarrei St. Barbara Breinig
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Geistlicher Impuls zum Sonntag - 11.06.2023

Barmherzigkeit statt Gerechtigkeit

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Datum:
Sa. 10. Juni 2023
Von:
Ulrich Lühring

Ein Lied von Reinhard Mey (1978)

 Ich denke, ich muss so zwölf Jahre alt gewesen sein, und wieder einmal war es Zeugnistag.
Nur diesmal, dacht ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein,
als meines weiß und hässlich vor mir war.

Dabei war’n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt,
ich war ein fauler Hund
und obendrein höchst eigenwillig,
doch trotzdem hätt ich nie geglaubt,
so ein totaler Versager zu sein.

 In diese Situation des Zeugnistages, von der Reinhard Mey da singt, können wir uns alle einfühlen.
Für Kinder und Jugendliche steht der Zeugnistag wieder kurz bevor.
Viele können den  Tag wohl ruhiger erwarten als Reinhard ihn besingt.
Aber manche haben auch ähnlich mulmige Gefühle.

 

Auch wenn unsere Schulzeit schon lange zurückliegt, kennen wir dieses Gefühl auch aus anderen Lebenssituationen:
Ich habe versagt.
Ich bin meinen eigenen Ansprüchen und den Ansprüchen anderer an mich nicht gerecht geworden.
Die Frage ist dann, wie wir mit unserem Versagen umgehen.

Eine erste Reaktion ist oft, das eigene Versagen zu vertuschen. Es unter den Teppich zu kehren.

Auch der Schüler, von dem Reinhard Mey singt, reagiert so.
Er versucht, das Zeugnis vor seinen Eltern zu verbergen.
Er fälscht sogar ihre Unterschriften unter dem Zeugnis.
Doch der Rektor deckt den Schwindel auf und zitiert den Übeltäter samt seinen Eltern zu sich.
Die sollen ihren missratenen Sohn nun angemessen bestrafen.

Aber jetzt erleben der Rektor und auch der Sohn eine große Überraschung.

Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an.
Er sagte dann ganz ruhig: „Was mich betrifft,
so gibt es nicht die kleinste Spur des Zweifels daran,
das ist tatsächlich meine Unterschrift.“

 Auch meine Mutter sagte, ja das ist mein Namenszug.
Gekritzelt zwar, doch müsse man verstehn,
dass sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug.
Dann sagte sie: „Komm, Junge, lass uns gehn.“

 

Wer hätte eine solche Reaktion erwartet?
Der Rektor sicher nicht. Der wird mit vor Staunen offenem Mund dagesessen sein.

Und wir?

 

Mischt sich in die Bewunderung ob des großen Zusammenhaltes zwischen Eltern und Sohn nicht auch die Frage: Und wo bleibt die Moral?
Das sind ja schöne Erziehungsmethoden…
Bei Unterschriftenfälschung wäre doch eine Strafe oder mindestens eine deutliche Korrektur und Zurechtweisung angebracht.

 

Reinhard Mey singt:

Ich wünsche allen Kindern dieser Welt,
wenn’s brenzlig wird,
wenn’s schief geht,
wenn die Welt zusammenfällt,
Eltern, die aus diesem Holz geschnitten sind.

 

 

Mit diesen Gedanken und diesem Lied im Kopf möchte ich mich jetzt dem heutigen Evangelium zuwenden.
Denn es geht genau um dieses Thema.

Um Barmherzigkeit auf der einen Seite.
Die überraschend große Barmherzigkeit der Eltern mit ihrem Sohn, mit dem verpfuschten Zeugnis und selbst mit der gefälschten Unterschrift.

Und der Gerechtigkeit auf der anderen Seite,
die der Rektor einfordert – und die auch eine Stimme in mir reklamiert.

 

„Barmherzigkeit will ich nicht Opfer“, dieses Wort des Propheten Hosea (aus der Lesung) zitiert Jesus nicht nur.
Er lebt es.
In der Begegnung mit IHM haben das viele Menschen heilsam und befreiend erfahren.

 

Aber solcher Barmherzigkeit steht auf der anderen Seite die Gerechtigkeit gegenüber.
Und das Gefühl, dass die Gerechtigkeit zu kurz kommt, wenn man es mit der Barmherzigkeit übertreibt.

Die Zöllner Matthäus war einer, der sein Leben verpfuscht hatte.
Auf einer Stufe mit Betrügern und Verbrechern.
Und ein Kollaborateur mit den verhassten Römern.

Wie kann euer Meister mit Zöllnern und Sündern essen?

 Der Zöllner Matthäus wird seinen Ohren nicht getraut haben, als Jesus zu ihm sagte: „Folge mir nach.“
Er wird sich ganz ähnlich gefühlt haben wie der Schüler in Reinhard Meys Lied.

Verdient hat er das nicht.

Aber es geht bei Jesus nicht um Verdienst,
es geht auch nicht an erster Stelle um Gerechtigkeit,
sondern um Barmherzigkeit.

Das zieht sich sozusagen wie ein roter Faden durch das Handeln und die Botschaft Jesu:
Bei Gott steht nicht an erster Stelle die Gerechtigkeit, sondern die Barmherzigkeit.

Denken Sie nur mal an das Evangelium von den Tagelöhnern, wo am Ende derjenige, der eine Stunde gearbeitet hat, genau soviel bekommt wie derjenige, der den ganzen Tag gearbeitet hat.

Gerecht ist das nicht. Aber barmherzig.

 

Und ich höre die Botschaft heraus: So ist Gott.
Mehr barmherzig als gerecht.

 

Ich sehe und erfahre, dass die Kirche, die sich auf diesen Jesus beruft, davon noch weit entfernt ist.

Da steht Gesetz und Gerechtigkeit noch viel zu weit über Barmherzigkeit – wenn ich alleine an das kirchliche Eherecht denke und an den Umgang mit gescheiterten Ehen.

 

Und wie ist das bei mir persönlich?
Wo habe ich Barmherzigkeit durch andere erfahren?
Wo habe ich vielleicht auch erfahren, dass Barmherzigkeit größer ist als Gerechtigkeit?

Und wo liegt in meinem Handeln die Priorität?
Gerechtigkeit? Oder Barmherzigkeit?

 

Vielleicht kann man es auch so formulieren:
Wie soll ich mich denn eine Ewigkeit lang in der Nähe dieses Gottes wohlfühlen, für den Barmherzigkeit wichtiger ist als Gerechtigkeit, - wenn es für mich nicht so ist?

 

Vielleicht ist das ja eine unserer großen Lebensaufgaben:
Lerne (und lebe), was das bedeutet:
Barmherzigkeit will ich, nicht Gerechtigkeit.

 

Link zum Song „Zeugnistag“:
https://www.youtube.com/watch?v=fTmM-KdEV4I

 

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Ein Segen

Gottes Kraft
stärke deinen Rücken,
so dass du aufrecht gehen kannst,
wo man dich beugen will.

Gottes Zärtlichkeit
bewahre deine Schultern,
so dass die Lasten, die du trägst,
dich nicht niederdrücken.

Gottes Weisheit
bewege deinen Nacken,
so dass du den Kopf frei heben
und ihn frei dorthin neigen kannst,
wo deine Zuneigung vonnöten ist.

Der Segen Gottes sei mit dir.

Autor unbekannt
www.juref-rt.de 

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Einen sonntäglich-frohen Gruß aus Breinig
sendet

Ihr
Ulrich Lühring